Durch die Weinberge bei Stammersdorf
Autor: Günther Wöss
Streckenlänge: kleine Runde 3,1 km, große Runde 4,1 km
Startpunkt: Parkplatz Senderstraße Google Maps Link
Diese Route führt uns durch das traditionelle Weinbaugebiet nordwestlich von Stammersdorf an den Ostabhang des Bisamberges im 21. Bezirk. Bedingt durch die abwechslungsreiche Kulturlandschaft ist hier die Artenvielfalt mit über 30 nachgewiesenen Heuschreckenarten relativ hoch.
Wir starten am Parkplatz Senderstraße und gehen zunächst etwa 200 m entlang der Stammersdorfer Kellergasse (früher Hagenbrunner Straße) nach Norden. Wer trotz des Verkehrs einen Blick in die krautig-strauchige Straßenrandvegetation wagt, entdeckt vielleicht auf einem Blatt bereits eine Punktierte Zartschrecke, deren Männchen besonders farbenfroh sind. Schließlich biegen wir links in den Kallusweg ein, einen für das Gebiet typischen Hohlweg. Spätestens hier pfeifen uns die ersten Ziesel um die Ohren; sie sind aus nächster Nähe gut zu beobachten. Auf der Hohlwegböschung singen der wie eine Sprinkleranlage klingende Feldgrashüpfer, der häufige Gemeine Grashüpfer und die stotternd-sirrende Zweifarbige Beißschrecke – drei Arten, die uns auch auf der weiteren Route begleiten werden.
Nach etwa 250 m nehmen wir rechterhand einen Feldweg. Im krautigen Saum der ersten 150 m dieses Weges stellen sich einige weitere Arten wie die Große und die Kleine Goldschrecke ein. Anschließend durchwandern wir die Weinberge. Im Mai und Juni vernimmt man hier das melodiöse Zirpen der Feldgrille, in den Hochsommermonaten findet man außerdem die drei häufigen, sich im Aussehen ähnelnden Arten der sogenannten Chorthippus biguttulus-Gruppe. Sie lassen sich am besten anhand ihres Gesangs unterscheiden: Während der Braune Grashüpfer durch kurze Einzeltöne auffällt, erinnert der Nachtigall-Grashüpfer an das Rasseln einer Klapperschlange. Der Verkannte Grashüpfer schließlich klingt wie eine langsame, sich gegen Ende der Gesangsstrophe einbremsende Dampflokomotive. An den grasigen Wegrändern sollte man auch auf den unscheinbaren Weißrandigen Grashüpfer achten, der in einer braunen und in einer grünen Farbvariante auftritt. Bei einem Abstecher in die Weingärten kann man mit etwas Ausdauer die Vierpunktige Sichelschrecke finden, wenn sie sich auf den Weinblättern sonnt. Die letzten Meter dieses etwa 400 m langen Wegabschnittes weisen vegetationslose Schotterflächen auf, und spätestens hier fällt einem die Italienische Schönschrecke auf, die bei ihren langen Fluchtsprüngen ihre rötlichen Hinterflügel präsentiert.
Man stößt nun auf eine T-Kreuzung und biegt nach links auf den Wiener Stadtwanderweg 5 ab, der die Grenze zu Niederösterreich darstellt und auf den Falkenberg führt. Wendet man sich zurück, bietet sich ein weiter Blick in das Marchfeld, der bis in die Slowakei zu den Kleinen Karpaten reicht.
Wo nach ca. 350 m die Weingärten enden, erreichen wir den „Hotspot“ unserer Tour. Südlich des Stadtwanderweges erstreckt sich ein verbuschender Halbtrockenrasenhang, auf dem uns um die 15 Heuschreckenarten erwarten – neben den beiden Goldschrecken etwa die in Wien hauptsächlich am Stadtrand vorkommende Gemeine Sichelschrecke, die gerne auf Blüten sitzende Gestreifte Zartschrecke und der Wiesengrashüpfer. Auch ist man hier im Lebensraum der allseits bekannten Gottesanbeterin. Durch den Wiesenhang führt ein Pfad, auf dessen schütteren Stellen die Italienische Schönschrecke und die Blauflügelige Ödlandschrecke umherspringen, zwei ausgesprochene Rohboden-Spezialisten. In kurzrasigen Bereichen kann man außerdem auf den Großen Heidegrashüpfer treffen, der mit seinem leisen, wellenartig-zischenden Gesang auf sich aufmerksam macht.
Wir begeben uns zurück auf den Stadtwanderweg und folgen ihm hangaufwärts durch Eichenwälder, die nach der anstrengenden Heuschreckensuche angenehmen Schatten spenden. Dieser Wegabschnitt ist relativ artenarm, doch mit Glück findet man auf Blättern die farblich variable Laubholz-Säbelschrecke. Wer genau hinhört, vernimmt aus dem Wald auch das leise Morsen der Waldgrille, die hier neben der Gewöhnlichen Strauchschrecke die häufigste Art ist. Dem Weg durch den Wald folgen wir für etwa 500 m und sehen durch die links liegende Hecke immer wieder Wiesen und Weingärten durchblitzen. Auf der anderen Seite der Hecke finden wir nach einem großen Weingarten eine ackerbrachenähnliche Wiese mit einem kleinen Kinderspielplatz vor. Neben bereits bekannten Arten hört man hier das hohe Sirren von Roesels Beißschrecke, und auch der Dickkopf-Grashüpfer, der durch seinen verhältnismäßig großen, gestreiften Kopf auffällt, hält sich in der Vegetation auf. Sucht man die lückigen Wiesenbereiche genau ab, springt einem vielleicht eine Langfühler-Dornschrecke vor die Füße.
Am Südrand der Spielwiese trifft man wieder auf den Kallusweg, und wer ein kühles Getränk bei einem der zahlreichen Heurigen nicht mehr erwarten kann, nimmt diesen Weg nach Osten, um hangabwärts wieder zum Parkplatz Senderstraße zurückzukehren. Kulturinteressierten sei jedoch der Gedenkstein zu Ehren des berühmten schlesischen Lyrikers Joseph von Eichendorff (1788–1857) empfohlen, den man nach kurzem Wegmarsch Richtung Westen erreicht. Die auf dem Gedenkstein eingemeißelten Verse aus dem Gedicht „An der Grenze“ lassen sich gut nachempfinden, wenn man den weiten Ausblick über Wien genießt.
Nun schlagen wir den Weg nach Süden ein und gelangen zum Magdalenenhof, wo einer Einkehr nichts mehr im Wege steht. Hier liegt auch der von Wasserlinsen bedeckte Senderteich, an dem Franz Werner in den 1920er-Jahren noch die Maulwurfsgrille nachweisen konnte. Der weitere Verlauf der Senderstraße führt durch einen breiten Hohlweg mit einer romantischen Kellergasse. Das hohe Alter der Weinlager ist nicht zu übersehen, scheint sich der Hohlweg doch die efeuverhangenen Eingänge bereits vollständig einverleibt zu haben.
Schließlich gelangen wir wieder zum Parkplatz Senderstraße, dem Ausgangs- und Endpunkt unserer abwechslungsreichen Route.